Spätestens mit dem Aufkommen des Human-Centered Designs gehört es zur Gestaltung von Produkten, Systemen und Dienstleistungen wie selbstverständlich dazu, neben technisch-funktionalen Aspekte des Kontexts auch die Nutzenden in den Fokus zu nehmen. Wer wird später das designte benutzen? Welche besonderen Eigenschaften, Fähigkeiten, Einschränkungen und Hintergründe sind bei der Person zu beachten? Können die Nutzenden gar in verschiedene Typen und Gruppen eingeteilt werden? Kaum ein Buch zum Design Thinking oder Marketing kommt ohne die Methode der „Personas“ aus. Doch was sind die Vorteile und Herausforderungen dieses Tools. Und eignet es sich für jedes Projekt?
Grundsätzlich sind Personas Beschreibungen einer Zielgruppe, die exemplarisch auf eine fiktive Person projiziert wird. Diese Persona steht damit stellvertretend für eine bestimmte Gruppe derjenigen, die das spätere Produkt oder System nutzen werden. Art und Weise sowie Umfang der Beschreibung dieser Persona sind dabei von Faktoren wie Zeit, Budget aber auch Art des Projektes abhängig. Wer Personas für eine Bier-Campagne entwickelt, wird sehr wahrscheinlich andere Aspekte und Themen darin betonen als jemand, der dieses Tool im Rahmen der Neugestaltung einer Klinik nutzt.
Nutzen von Personas
Personas bieten dabei zwei große Vorteile: Erstens ermöglichen Sie es, ein gutes und leicht verständliches Bild der Zielgruppe anzufertigen. Hiermit lassen sich konkrete Konzepte sehr einfach überprüfen und verbessern. In Workshops können beispielsweise Konzepte mit der Frage konfrontiert werden: „Würde Persona A oder B dieses Angebot nutzen?“, „Welche Vorteile bietet es für Persona C?“ Somit kann das Werkzeug helfen, Entwürfe zu evaluieren aber auch zu verteidigen. Letzten Endes sollten Gestaltende ja nie primär für sich selbst entwerfen, sondern immer für diejenigen, die später das Gestaltete auch nutzen. Eine Persona kann diese Rolle stellvertretend einnehmen.
Ein zweiter, vielleicht sogar noch wichtigerer Nutzen der Persona ist die Aufbereitung und Verdichtung zuvor gewonnener Erkenntnisse zur Zielgruppe. Dieser Vorteil hängt jedoch vom Einsatz der Personas ab. Nicht selten wird dieses populäre Tool verwendet, um zufälligen Vertretern der Zielgruppe oder subjektiven Heuristiken ein Gesicht zu geben. Personas sind in diesem Fall Beispiele aus der Fülle potentieller Nutzenden, die hilfreich sein können, oder aber auch Vorurteile bestätigen. Folgt man dagegen den Prinzipien des evidence-based Designs bzw. nutzt eine research-driven Design Approach, so basiert die Entwicklung der Personas zunächst auf einer mehr oder weniger umfänglichen Phase von Recherche und Analyse. In dieser Phase wurde z.B. relevante Studien gelesen, Interviews geführt, Beobachtungen und Fokusgruppen umgesetzt und alle gewonnenen Erkenntnisse systematisch festgehalten. Nutzt man nun diese Fülle an Informationen zum Gestaltungskontext und überträgt die relevanten Aspekte in logisch ableitbare Personas, gewinnt dieses Tool eine zusätzliche Analysefunktion. Denn dann stützen sich die Personas tatsächlich auf belastbare Studien oder empirische Ergebnisse und erlauben (intern wie extern) eine leicht erschließbare Zusammenfassung dieser Forschungsbemühungen.
Worauf ist bei der Entwicklung von Personas zu achten?
Wie der Name schon vermuten lässt, sind Personas zunächst einmal (fiktive) Personen, also Menschen aus Fleisch und Blut mit Hobbies und Ängsten, Gedanken und Vorlieben. Erstellt man Personas, sollten diese auch tatsächlich ein bisschen wie ein Poesieeintrag funktionieren. Demografische Daten sind wichtig und hilfreich aber reichen nicht aus, um ein emotional schlüssiges Bild dieser Person zu erhalten. Angaben zum Lebensumfeld, alltäglichen Beschäftigungen und Normen und Werten vertiefen die Beschreibung und wecken gleichzeitig hilfreiche Assoziationen.
Zur Entwicklung können Vorlagen und Beispiele hilfreich sein. Es sollte jedoch immer auch bedacht werden, welchen Nutzen die Personas erfüllen sollen und für welches Projekt die Methode verwendet wird. Meist sind dann verfügbare Vorlagen anzupassen. Ein Beispiel für eine Persona-Vorlage für den medizinischen Kontext ist hier zu finden:
Wie lang eine solche Beschreibung sein sollte und wie viele Personas für ein Projekt sinnvoll sind, ist kaum allgemeingültig zu beantwortet. Grundsätzlich sollte die Methode einen Nutzen bringen und nicht zum Selbstzweck werden. Daher ist man sicherlich gut beraten, bei der Beschreibung inhaltlich durchaus in die Tiefe zu gehen, jedoch auf Kürze und Verständlichkeit zu achten. Personas sollten dementsprechend keine Charakterisierung aus dem Deutsch-Unterricht sein, sondern auf den Punkt gebrachte Steckbriefe, die dem Lesenden in kurzer Zeit ein authentisches Bild einer fiktiven Person vermittelt. Die Verwendung aussagekräftiger und gut ausgewählter Fotos kann hierbei Wunder bewirken.
Die inhaltliche Ausrichtung hängt stark vom Gestaltungskontext ab. Beispielsweise kann es im Zusammenhang mit der Gestaltung von medizinischen Settings und Produkten sinnvoll sein, auf konkrete Krankheitsgeschichten, Erwartungen an das Versorgungssystem und Ängste und Vorstellungen einzugehen.
Grundsätzlich kann die folgende Liste von Aspekten eine grobe Orientierung bieten:
- Soziodemographische Daten: Alter, Geschlecht, Familienstand, sozialer Hintergrund
- Sozioökonomische Angaben: Einkommen, Beruf, Bildung, sozialer Hintergrund, Sozialstatus)
- Geographische Informationen: Wohnort, Herkunft, regionale/lokale/internationale Orientierung
- Psychographische Merkmale: Einstellungen und Meinungen, Werte und Statusbewusstsein, Vorlieben und Hobbys, aber auch Abneigungen, Gewohnheiten, Motivationen, ästhetisches Empfinden, Ziele
- Produktbezogene Eigenschaften: Wünsche, Erwartungen, Bedürfnisse
- Konsumverhalten: Markentreue, Kaufreichweite, Wiederkaufrate, Preissensibilität,…
Auf den Punkt gebracht
Die Entwicklung von Personas ist ein nützliches Tool, um Forschungserkenntnisse zur Zielgruppe in leichtverständlicher Weise aufzubereiten und darauf aufbauend Konzepte zu evaluieren und zu kommunizieren. Sie sollten in kurzer und deutlicher Weise ein gutes und authentisches Bild einer Person darstellen, die repräsentativ für die Zielgruppe bzw. einen Teil davon ist. Dabei sollte die Beschreibung nicht auf oberflächlichen demografischen Aspekten hängen bleiben. Dann können Personas eine sehr gute Orientierung für den Entwurfsprozess bieten.