3 Beispiele…
1.
Design als Praxis zur Optimierung von Abläufen und Vermeidung von Risiken
Wahrscheinlich die bekannteste gesundheitsfördernde Wirkung, die Design hervorrufen kann, ist die Verbesserung von Produkten, Systemen und Abläufen, um Fehler zu reduzieren und Sicherheit zu maximieren. Was häufig mit Stichwörtern wie „medical design“ beschrieben wird, beinhaltet viele Ansätze aus Feldern wie der Ergonomie, Psychologie, Medizintechnik und vielen weiteren.
2.
Design als Methode für die medizinische Forschung & Entwicklung
Design stellt aber auch eine bestimmte Form der Lösungsentwicklung dar. Sie muss nicht auf konkrete Produkte und auch nicht von Designer:innen selbst angewendet werden. Im Sinne des „Health Design Thinking“ können die Kernprämissen des Designs selbst in der biomedizinischen Forschung (z.B. in Form von partizipativen Prozessen) eingesetzt werden. Design bedeutet hier, einen Systemblick zu nutzen, innovative und iterative Prozesse einzusetzen und Bestehendes zu hinterfragen.
3.
Design als Therapeutikum
Was zunächst als steile These erscheint, ist keine neue Erkenntnis. Gestalterische Maßnahmen (z.B. visueller Kontakt nach draußen, Materialwahl und Licht) wirken sich unmittelbar auf psychische und körperliche Prozesse aus. Seit dem vergangenen Jahrhundert wird dies zunehmend wissenschaftlich untersucht und praktisch angewendet. Design kann dabei unter anderem Symptome reduzieren, Genesungsverläufe optimieren, soziale Kontakte fördern und im Allgemeinen das Gesundheitsverhalten beeinflussen.
Design als Therapie? Eine alte Geschichte…
Healing Environments
„The effect in sickness of beautiful objects, of variety of objects, and especially of brilliancy of colour is hardly at all appreciated“
Nightingale (1859): Notes on Nursing.
Bereits in der Mitte des 19. Jahrhunderts befasste sich die Krankenschwester Florence Nightingale mit der zentralen Bedeutung gestalterischer Elemente bei der medizinischen Versorgung von Kranken. Ihre beiden Bücher „Notes on Nursing“ und „Notes on Hospitals“ sind frühe designwissenschaftliche Arbeiten, bevor es dieses Fach überhaupt gab. Aus ihrer Arbeit ging das Konzept der sogenannten „Healing Environments“ hervor, die Idee nämlich, dass die Umgebung selbst gesundheitsfördernd bzw. gar heilsam sein kann.
Messbare Effekte…?
1984 veröffentlichte der Psychologe Roger Ulrich eine bahnbrechende Studie. Unter der Überschrift „View Through a Window May Influence Recovery from Surgery“ erläuterte er seine Ergebnisse, laut denen Patienten nach einer Gallenblasenoperation einen signifikant besseren Genesungsverlauf hatten, wenn ihr Patientenzimmer ein Fenster mit Blick auf Bäume hatte im Gegensatz zu jenen, die einen Blick auf eine Steinfassade hatten. Dies war der Startschuss für die wissenschaftliche Untersuchung von Zusammenhängen zwischen der Gestaltung unserer physischen Umgebung und der Gesundheit, aus der sich auch das sogenannte „evidence-based Design“ entwickelt hat.
Ulrich, 1984, S. 421
„In summary, in comparison with the wall-view group, the patients with the tree view had shorter postoperative hospital stays, had fewer negative evaluative comments from nurses, took fewer moderate and strong analgesic doses, and had slightly lower scores for minor postsurgical complications.“
Ulrich, 1984, S. 421
Psychosocially supportive Design
Die Ergebnisse, die Ulrich in seiner Studie von 1984 fand, warfen ein neues Licht auf Architektur und Design. Es folgte einige Jahre später seine „Theory of Supportive Design“. Ein Ansatz, der die psychosozial unterstützende Wirkung gestalterischer Maßnahmen betont.
Demnach kann gute Gestaltung Stress reduzieren, soziale Unterstützung fördern, positive Ablenkung schaffen und viele weitere Effekte hervorrufen, die sich positiv auf die Gesundheit auswirken können. Zentral ist dabei die Rolle der Stressreduktion. Designansätze können etwa durch eine Stärkung des subjektiven Kontrollgefühls, positive Stimulation (z.B. durch Kontakte zur Natur) und Vermeidung von Stressoren (z.B. Lärm) die psychoneuroimmunologischen Effekte des Stresses mindern.
„By focusing on the concept of stress, a theory of supportive design can be developed that conceptualizes human impacts of design in ways that are related directly to scientifically credible indicators or interpretations of wellness.“
Ulrich, 1997, S. 99
Salutogenic Design
„The Salutogenic approach provides a basic theoretical framework for psychosocially supportive design, which can promote health and wellbeing.“
Dilani, 2009, S. 65
Aufbauend auf der Idee eines psychosocially supportive Designs entwickelte Alan Dilani das Salutogenic Design. Wie der Name schon erahnen lässt, leitet sich dieses Designprinzip vom Gesundheitsparadigma der Salutogenese ab. Das vom Medizinsoziologen Antonovsky entwickelte Konzept versucht, die Zusammenhänge zu verstehen, was Gesundheit schafft und erhält. Als ergänzenden Ansatz zur pathologisch orientierten Suche nach Krankheitserregern und Risikofaktoren ist die Salutogenese also ein ressourcen-orientierter Ansatz. Dieses Prinzip übertrug Dilani auf die Gestaltung. Dabei zielt das Design im Sinne der Salutogenese darauf ab, die Welt verstehbar, handhabbar und sinnstiftend zu gestalten.
Design wirkt auch im Unsichtbaren.
Evidence-based Design
Die gesundheitsförderliche Wirkung der Gestaltung ist nicht immer direkt ersichtlich – und manchmal gar gegenintuitiv. Evidence-based Design (EBD) stellt daher eine Methodik dar, die konsequent wissenschaftliche Erkenntnisse nutzt um Entwürfe zu informieren und zu evaluieren. Besonders im medizinischen Kontext konnten damit nachweislich postive Effekte etwa in Bezug auf die Genesungsrate von Patienten erzielt werden. EBD meint dabei nicht gestalterische Entscheidungen von der Wissenschaft diktieren zu lassen, sondern verfügbare Erkenntnisse als gestalterischen Impuls und effektives Korrektiv anzusehen.