Vor etwa zwei Wochen konnte man auf der FIBO2017, einer der bedeutendsten Messen der Fitness-Branche, wieder die neuesten Trends und Produkte aus den Bereichen Fitness, Wellness und Gesundheitsförderung begutachten. Wie sooft auf Messen war nicht alles, was glänzte, auch Gold und so entpuppte sich die ein oder andere Produkt- oder Trainingsneuheit als alter Wein in neuen Schläuchen oder schlicht der Versuch am aktuellen globalen Fitnesstrend mitzuverdienen. Was sich jedoch bei einigen etablierten Herstellern unterschiedlichster Produktgruppen zeigte, war die fortschreitende Digitalisierung des gesamten Themengebietes. Während im medizinischen Kontext sowohl Anwender als auch Nutzer aus Sorge um den Datenschutz mit Konzepten wie der digitalen Patientenakte oder medizinischen App-Diensten noch sehr zurückhaltend agieren, geht die Fitnessbranche hier große Schritte.

Hierbei geht es nicht alleine um den Activity-Tracker, der meine Daten per Cloud-Verbindung auf mein Smartphone oder Webdienst lädt und mir so im Sinne des „Quantified Self“ eine quantitative Auswertung meines körperlichen Zustandes ermöglicht (oder mir dies zumindest suggeriert). Das Fitnessstudio der Zukunft beispielsweise geht hierbei einen ganzen Schritt weiter. Durch massive Vernetzung von Trainern, Kunden und anderen Anbietern verschwinden die Grenzen zwischen physischen Trainingsraum und dem Alltag. Nicht nur sind die Trainingspläne und Fortschritte sowohl vom Trainer als auch vom Trainierenden jederzeit mittels App abrufbar, sondern auch das Training selbst wird durch komplexe Analysemöglichkeiten weiter technisiert. Dabei greifen einige Studios auf Trainingsgeräte zurück, deren Einstellungen und Widerstandswerten ebenfalls nach einer Registierung durch den Nutzer (z.B. mittels Transponder) voll automatisch ermittelt werden. Auch diese Trainingswerte (Trainingsverhalten, Dauer, Leistung usw.) werden gesammelt und stehen vor allem für den Trainer zur weiteren Auswertung zur Verfügung.

 

Big Data und der freie Konsument

Damit erreicht auch die Gesundheitsbranche einen Trend, der in den deutschen Warenhäusern und Supermärkten bereits zum Alltag gehört. So erkaufen Nutzer über ihre Rabattkarten Prämien oder geringfühige Preissenkungen mit ihren persönlichen Daten zum Einkaufverhalten. Dabei ist „Big Data“ der große neue Markt für viele Experten aus Feldern wie dem Neuromarketing. Die Fülle an Daten ermöglichen es nämlich dank ausgefeilter Algorythmen ein äußerst exaktes Bild der verschiedenen Nutzergruppen zu skizzieren. Beim Anblick der Reichweite, des Umfangs und der Nachhaltigkeit der Datenerhebung würde sicherlich jeder Sozialwissenschaftler in Bezug auf seine klassischen Befragungen mit den Ohren schlacken.

Und genau hier ist das große Potential und ebenso die enorme Gefahr in der Digitalisierung der Fitnessbranche zu sehen. Zum einen können durch die vernetzte Datenerhebung Trainingspläne effektiver gestaltet und motivationale Anreize präziser gesetzt werden. Mit Strategien wie der Gamification oder dem Einsatz sozialer Dynamiken können so Trainierende nachhaltiger und effektiver motiviert werden und gleichzeitig lehrreiche Informationen über ihren Körper und die Trainingseffekte erhalten. Wie User-Experience-Experten schon langen bekannt ist, bewirkt nicht zuletzt die Einfachheit, die in der Nutzung derartiger vernetzter Technologien liegt, den intensiven Gebrauch dieser. Andererseits eröffnet sich hierbei ein weiterer Bereich des Privatlebens, in dem der Nutzer zum transparenten Individuum wird. Offen bleibt dann die Frage, für welche Zwecke diese Transparenz genutzt werden kann. So eröffnet sie zunächst enorme Möglichkeiten, um Nutzern bestimmte Produkte und Dienstleistungen in der strategisch günstigen Situation anzubieten. Dabei gilt, dass mit zunehmender Datenflut die Stärke dieser Vermarktungsstrategien zunimmt. An dieser Stelle sei damit jedoch nicht die Digitalisierung der Fitnessbranche per se kritisiert, sondern vielmehr darauf hingewiesen, dass die technologischen Entwicklungen große Potentiale mit sich bringen, die sowohl von Anwendern als auch von Kunden kritisch reflektiert werden sollten.

Komplexer wird dieser Sachverhalt in einem mittelfristigen Szenario, indem die Daten aus dem Fitnessbereich auch im medizinischen Kontext etwa von Krankenkassen genutzt werden. Auch hier zeigt sich einerseits das Potential durch eine Art der empirischen Qualitätskontrolle Trainingsprogramme und Aufklärungskampagnen präzise zu evaluieren. Andererseits ist in diesem System die gefährliche Möglichkeit ebenso enthalten durch die Transparenz Versicherungsleitungen an den Bemühungen der Versicherten selbst auszurichten und somit den Kerngedanken des Solidaritätsprinzips zu brechen.

 

Verantwortung der Gestalter

Aus einer systemischen Betrachtungsweise zeigt sich am Beispiel der Digitalisierung der Fitnessbranche, dass die Konzeption und Gestaltung neuer Entwicklungen meist komplexe Wirkmechanismen mit sich bringt, die sowohl enorme Vor- als auch Nachteile beinhalten können. Gute Gestaltung bedeutet in diesem Kontext auch diese Wirkungen im Entwurfsprozess zu berücksichtigen. Denn es ist nicht nur die Grundkonzeption dieser Digitalisierung, die das Gesundheitsverhalten (und Konsumverhalten) beeinflusst, sondern auch die konkrete gestalterische Umsetzung. Daraus eröffnen sich Fragen wie: Welche Informationen werden wie wem in welcher Form wann präsentiert? Hier ist sowohl die handwerkliche und wissenschaftliche Qualität des Design als auch eine ethische Reflexion der Gestaltung gefragt.