Mit einer erhöhten Belastung an Stickoxiden, Lärm und verkehrsbedingten Sicherheitsrisiken gehört die Autobahn und ihre Peripherie nicht unbedingt zu klassischen Bereichen gesundheitsfördernder Gestaltung. Wer auf langen Reisen mit dem Auto dann zur Pause an einer der Autobahnraststätten eine Pause einlegt, wird allzu oft mit einem Hybrid aus Tankstelle und architektonischem Unort konfrontiert, dessen primäre Raumqualitäten auf das Angebot einer Toilette, eines Schnellimbisses und eines Souveniershops zu reduzieren sind. Doch auch in dieser Kategorie der Gestaltung lassen sich Fallbeispiele finden, die Aspekte der gesundheitsfördernden Gestaltung implementiert haben.

Positive Ausnahme der Autobahnlandschaft stellt die Gotthard Raststätte an der A2 kurz vor dem Gotthard-Tunnel dar. Das von außen schlicht anmutende Gebäude aus Holzlamellen verbindet eine Vielzahl von sogenannten biophilen Gestaltungsmustern, wie sie Ryan und Kollegen (2014) erläutern. So eröffnet sich dem Besucher gleich beim Betreten des Gebäudes ein weitläufiges lichtdurchflutetes Foyer, das neben der Fülle an Massivholzbalken einen großzügigen Blick in die Baumlandschaft hinter dem Gebäude erlaubt. Gestaltungselemente wie der enorme Raum, die Einbeziehung natürlichen Lichtes, die Inszenierung einer Kunstskulptur in der Hauptblickachse des Eingangs und die allgemein formal-ästhetisch minderkomplexe Gestaltung des Gebäudes erzeugen einen Erlebnisraum, der über hervorragende Erholungsqualitäten verfügt. Der intensive visuelle Kontakt zum Material Holz sowie die Verschmelzung von Außenraum und Innenraum können durch Effekte wie die sanfte Faszination (Kaplan und Kaplan, 1989) eine stressreduzierende Wirkung hervorrufen. Ergänzt wird dieses Angebot durch eine große mechanische Murmelbahn, die bei Kindern und Erwachsenen gleichermaßen für Ablenkung sorgt, sowie die Sonnenterrasse des zugehörigen Restaurants, die bewusst mit Blick in die Berglandschaft weg von der Autobahn ausgerichtet ist. Diese formal sensible Gestaltung setzt sich bis zu den Toiletten fort, die durch ein großzügiges Raumangebot, dezente akustische Reize und natürliche Materialien sauber und ordentlich wirken, ohne klinische Sterilität auszustrahlen.

Dabei stellt diese Raststätte nicht die ideale Gestaltung einer Pause an der Autobahn dar, sondern zeigt in erster Linie das Potential von Gestaltungskontexten, die bislang in einer Art Schema-F bearbeitet wurden und konzeptionell neu gedacht werden. Dieses Prinzip eines grundlegenden Neudenkens von bestehenden Systemen und Konzepten ist besonders in der gesundheitsfördernden Gestaltung von enormer Bedeutung, da nur so versteckte Potentiale Erschlossen werden können. Wer erleben möchte, wie durch diese Form des gestalterischen Neudenkens bestehender Konzepte ohne größere Veränderung ihrer tatsächlichen funktionalen Angebote (!) ein gesundheitsförderlicher Mehrwert entsteht, sollte einmal auf dem Weg zum Gotthard-Tunnel Rast machen.